Auf dem alten Kammweg von Geising zum Hochwald

Es war 1902, als erste Pläne für einen Fernwanderweg reiften, der immer hoch oben auf den Kämmen der nahen sächsich-böhmischen Gebirge führen sollte. Als erstes Teilstück wurde die Strecke vom Rosenberg zum Jeschken markiert, und zwar mit einem blauen vierzinkigem Kamm. In beide Richtungen wurde dieser Weg dann nach und nach verlängert, nach Westen über das Erzgebirge, nach Osten zum Riesengebirge und darüber hinaus.

 

40 Jahre lange war der Kammweg ein touristisches Highlight - dann kam der Krieg und infolge dessen die Vertreibung der deutschen Bevölkerung aus den Sudeten. Das war dann leider auch das Ende der Kammweg-Tradition. Wegemarken verfielen, Dörfer verschwanden, Bauden und Rasthäuser verwahrlosten oder brannten ab.

 

Ausgerüstet mit alten Landkarten ging es zu Himmelfahrt auf eine 4-Tages-Tour  mit dem Jeschken bei Reichenberg (Liberec) als Ziel und der Vorgabe, sich so genau wie möglich an den alten Wegverlauf zu halten.

 

Wie dazumal üblich erfolgte die Anreise mit dem Zug, und zwar nach Geising im Osterzgebirge. Gemütlich früh am Morgen durchs Dorf, dann am Hüttenteich vorbei zum Silberstollen. Dies war wohl einst ein Besucherbergwerk - heute steht leider ein stabiles Eisentor einem kleinen Abenteuer unter Tage im Wege.

 

Hier endete der Pfad und es ging weglos weiter, nicht zum letzten Male auf der Tour! Über Wiesen hinauf mit der Aussicht auf das sanft gewellte Erzgebirge mit Fürstenau in einer Talmulde.

Und weiter ging es über bunte Erzgebirgs-Wiesen zur Traugotthöhe und von da absteigend wild über die tschechische Grenze. Man möge mir dies verzeihen.

 

Hier gab es einst die Siedlung Vorder-Zinnwald. Außer einigen Büschen, undeutlichen Steinrücken und einer Ruine erinnert aber nichts mehr daran. Einzig einige Hinweisschilder geben Auskunft über das einstige harte Leben hier.

Und damit war dann auch der Kammweg erreicht! Dieser führte früher rechter Hand über das gesamte Erzgebirge bis ins Vogtland und linker Hand  durch die Böhmische Schweiz in das Lausitzer Gebirge, weiter über den Jeschkenkamm ins Riesengebirge, dann etwas durch Schlesien ins Adlergebirge, über den Glatzer Schneeberg (heute Polen) zum Altvater.

 

Das nächste Etappen-Ziel für heute war jedoch erst einmal das Mückentürmchen, dazu folgt man in freudiger Erwartung dem "Bierweg"

Diese Erwartung wird auch nicht enttäuscht, denn am Mückentürmchen wartet sowohl Kneipe als auch Ausschank mit einer schönen Terrasse. Der Blick hinüber ins Böhmische Mittelgebirge auf Milleschauer und Kletschen sowie bei guter Sicht das ganze Erzgebirge entlang ist schon einmalig! Einmalig rustikal auch der Sessellift, der vom böhmischen hier hinauf führt und mit mehr als 2km einst der längste Lift von Europa war.

Toll auch dass sich hier ein S51- und ein MZ-Fanclub zur Himmelfahrts-Ausfahrt versammelt hatte, so mancher "50-Kubiker" ist beim letzten Anstieg gehörig in die Knie gegangen!

Hinter dem Mückentürmchen wurde es schlagartig ruhig und für viele viele Stunden war ich allein auf weiter Flur.

Weiter über das ehemalige Ebersdorf, von dem nichts mehr übrig ist, durch die wenigen Häuser von Adolfsgrün. Das Hotel Richtung Streckenwald ist inzwischen geschlossen, das war ja letzten Winter mal als Mittagsstation geplant im Rahmen der Hohen Tour (Skilanglauftour von Zinnwald nach Schöna).

 

Kurz vor Nollendorf ist der Weg inzwischen zur Wiese geworden, daher ging es jetzt ein ganzes Stück auf der Straße. Der Lohn war ein Überblick über das was noch kommen würde: Der Schneeberg, der Rosenberg, Tannenberg und Kaltenberg, letztere optisch vertauscht in ihrer Reihenfolge.

Bei Nollendorf war eigentlich noch der Abstecher zur Nollendorfer Höhe geplant, wegen schwindender Kräfte wurde das aber gestrichen. Statt dessen ging es gleich auf die Suche nach dem alten Kammweg, leider erfolglos. Alles zugewachsen, die Wege und Gehöfte alle verschwunden, also ging es völlig weglos in Richtung Tissa. Immerhin das Tagesziel, der Hohe Schneeberg, im Blick, und er kam sogar näher!

Die Irrungen und Wirrungen bei der Wegsuche erspar ich mir an dieser Stelle, es ging jedenfalls an einer Art Armeegelände (?) vorbei, wo wahrscheinlich seit der Wende keiner mal das Licht abgeschaltet hat, es ging vorbei am ehemaligen Strandbad von Tissa, heute teilen sich den See Enten und Lurche. Und irgendwann überschreitet man eine Kuppe und hat dann zum ersten Male Sandstein in Form der Tissaer Wände vor sich. Hier gab es dann eine verdient lange Pause.

Die Wände sind immer einen Besuch wert, entsprechend frequentiert das ganze trotz Eintritt (30 Kronen).

 

Die letzte Etappe für heute zum Fusse des Hohen Schneeberges war dann nur noch Formsache. Seit eh und je steht hier die Kammwegbaude (heute Hrebenova bouda) und die hatte tatsächlich noch alle Zimmer frei. Die Massagedusche auf meinem kleinen aber sehr feinen Zimmer kam gerade recht, denn immerhin standen heute stolze 38 km auf dem GPS-Kilometerzähler.

 

Mit Pivo für umgerechnet einen Euro und ganz tollem Abendbrot kehrten die Lebensgeister allsbald wieder zurück.

 

In aller Frühe ging es am nächsten Tag hinauf auf das weite Plateau des Schneeberges, wo der Blick bei tollster Sicht weit ins Böhmische schweifen konnte. Nur der alte Aussichtsturm war noch verschlossen, leider. Später, an der Dresdner Aussicht, konnte man dann noch Tafelberge zählen: Königsstein, Pfaffenstein, Lilienstein...

Nach einem längeren Abstieg über die Schäferwand hinunter zur Elbe gab es dann als besonders intensive Kontrast zur bisherigen Bergeinsamkeit das Gewusel von Tetschen. Es war aber trotzdem einmal ein Erlebnis, schwer bepackt durch die Stadt zu laufen, wo man sonst nur schnell mit dem Auto durchfährt.

 

Am anderen Ende der Stadt ging es wieder hinauf auf den Quaderberg und über die aussichtsreichen Rosenkämme mit packenden Elb-Tiefblicken Binsdorf.

 

Der originale Kammweg ist jetzt auf dem Weg zum Rosenberg längst der Großraum-Landwirtschaft zum Opfer gefallen und umgeackert worden. Also musste ich jetzt wieder über Wiesen und Felder stapfen. Doch den Rosenberg - einst Glanzpunkt des Kammweges und mit Ausschank und Turm versehen - habe ich heute ausgelassen. Zu gering wäre der Lohn der Mühe gewesen, denn Aussichten gibt es hier oben leider kaum eine mehr.

Stattdessen ging es gleich weiter nach Kamnitzleiten und zur Grundmühle hinunter. Da es die Kahnfahrt durch die Ferdinandsklamm schon lange nicht mehr gibt und in meiner Richtung sowieso nicht, ging es links hoch zu den Schemmeler Folgen und verwachsen hinunter, zur Schemmeler Felsenkapelle und so kam ich nach 39km am Hotel Bellevue in Dittersbach an.

Am nächsten Tag war der Kammweg mal ausnahmsweise leicht zu finden. Über Grieselkreuz und Grieselmühle am Ottenberg vorbei, wo man den Rosenberg mal aus der anderen Richtung sieht. Weiter eine Ecke über Wiesen abkürzend zur Straße nach Limbach und am Ortsausgang rechts in Richtung Hasel und zum Kaltenberg. Der Besuch des Turmes dort lohnt schon wegen der renovierten Eisenkonstruktion und auch der Basaltaufschluß gegenüber am Goldberg fasziniert. Heute ging es jedoch schnurstracks weiter zur Kreuzbuche, immerhin hatten wir hier letzten Monat ein schönes Wochenende verbracht und ebendiese Ziele fast ohne Anstrengung besucht. Kurz vorm Tannenberg bei der Mittagsrast in der Glöckchenbaude (Zvonecek) eine kleine Überraschung beim Blick nach oben.

 

Der Tannenberg wird jetzt scheinbar zum Outdoor-Gipfel umgestaltet: Es gibt jetzt eine Kletterwald und Monsterroller für die Abfahrt, der altehrwürdige Aussichtsturm mit dem Rückblick auf das bisherige Geschehen lockt da kaum noch jemand hinter dem Ofen hervor.

Auf dem Weiterweg über die Burgruine Tollenstein, wo gerade eine Art Burgfest im Gange war, kann man bei Interesse noch in einer der Herzel-Buden absteigen, es ist aber dringend anzuraten, sich die Kräfte für den Aufstieg zur Lausche aufzuheben!

Auf der Lausche sorgen die Blicke auf das Zittauer Gebirge und Waltersdorf vielleicht nicht für ganz so intensive Hochgefühle, schön ist es aber trotzdem hier oben. Eigentlich sollte es heute noch bis zum Hochwald gehen, aber das  wäre ein weiteres Dutzend Kilometer gewesen. Klassisch verschätzt bei der Tourenplanung! Daher wurde der Jeschen kurzerhand gestrichen und der Hochwald als morgiges Endziel auserkoren.

 

Die Übernachtung in der Lausche-Hütte im Jägerdörfel auf böhmischer Seite war die günstigste (und schäbigste) der ganzen Tour. Dafür gab es eine echt tschechische Hochzeit hier die ganze Nacht und ich war als einzigster ungeladener Gast unter lauter Feiernden hier einquartiert.

 

Darauf eine weitere neue Kreation einer Knoblauchsuppe, nach den heutigen 35km gerade richtig zum aufputschen.

Der letzte Tag ist schnell erzählt. Der Kammweg führt von der Lausche dicht an der Grenze entlang und senkt sich erst später wieder ins Böhmische nach Schanzendorf hinunter. Jenseits wieder hinauf und nach 11km steht man schon auf dem Hochwald. Die Rundum-Sicht vom Turm ist zweifellos die schönste der ganzen Strecke, und das in alle Richtungen! Ein würdiger Tourabschluss!

Der Abstieg nach Oybin war jetzt nur noch ein Klacks, standesgemäß mit der Dampflok ging es von dort nach Zittau und mit einer weiteren Bahn zurück.

Ich komme aber auf alle Fälle wieder, und zwar um vom Hochwald über den Jeschken zur Schneekoppe zu wandern!

 

Fazit der Tour: Der mehrmalige Wandel der Landschaften (Erzgebirge - Sandstein - Vulkankegel) ist ungeheuer eindruckvoll!

 

Die Tour sollte aber trotzdem besser von Tetschen aus gemacht werden:

Tag 1: Anfahrt nach Tetschen und dann nach Rosendorf

Tag 2: auf den Rosenberg und über die Grundmühle nach Dittersbach, optionaler Abendspaziergang zu den Marienfelsen

Tag 3: über den Kaltenberg und Himpelsberg zum Tannenberg

Tag 4: über die Lausche zum Hochwald (oder Lückersdorf)

(Tag 5: optional zum Jeschken und Heimfahrt)

 

So wars doch ganz schön anstrengend, aber Pivo für einen Euro macht alle Strapazen wieder wett!