Auf dem historischen Kammweg von Asch nach Zinnwald

"Hoch oben auf dem Erzgebirge, auf seinen mächtigen Kammhöhen, auf seinen hochgewölbten Gipfeln, am grasigen Hange, auf steiler Felszinne, hoch oben, wo die Wälder seltsam rauschen und weit und breit sich die Heide dehnt, da ist des Bergfreundes größte Lust."

Mit solchen Worten lockt auch heute noch, Josef Brechensbauer, Verfasser des Erzgebirgs-Kammweg-Führers, über hundert Jahre nach dessen Erscheinen auf eine Tour quer durchs gesamte böhmische Erzgebirge. Und das obwohl keine Markierungen mehr zu finden, die Wälder längst höher geworden oder abgestorben sind und viele der uralten Dörfer bei der Vertreibung 1946 verlassen werden mussten, verfielen und letztlich abgerissen wurden.

Ausgerüstet mit einer handvoll Landkarten mit dem zu Hause recherchierten und eingezeichneten originalen Kammweg-Verlauf geht es an einem schönen Oktoberwochenende zum Startpunkt der Tour, dem Hainberg bei Asch. Das liegt in dem Zipfel Tschechei, an der Grenze zwischen Bayern und Sachsen. Kurz nach neun schwingt die Tür der Bahn, die mich mit Umsteigen in vier Stunden von Radeberg bis hierher ins Vogtland brachte, auf und ich trete in Raun ins Freie. Dieses Dorf ist bekannt für die historische Holzbauweise seiner Mehrseitenhöfe. Auch im nächsten Ort Gürth gibt es schöne einzeln stehende Gehöfte, die inmitten der Wiesen wie kleine Burgen wirken. Rechts befindet sich ein schmaler Streifen Tschechien, vielleicht nur 20m breit, aber eben lang, die vielen weißen Grenzsteine auf der Wiese sind zur Heuernte ganz sicher im Weg.

Man trifft im spitzen Winkel auf gelb, diese Markierung führt, einen kleinen Staudamm überquerend, leicht bergan und zuletzt auf einer Skipiste nach insgesamt 11km zum Hainberg mit Turm. Der ist etwas eigenwillig in seiner Architektur. Obwohl dieser Landstrich beim Turmbau 1904 zu Österreich-Ungarn gehörte und demzufolge mit Preußen eher weniger zu tun hatte wurde das Bauwerk doch nach dem deutschen Reichskanzler Bismarck-Turm genannt.

 

Die Aussicht ist schön, wenn der Blick auch nicht in alle Richtungen weit schweifen kann, auch fehlen hier ein paar bekannte Berggestalten. Da das nahe Gasthaus verschlossen ist mache ich es mir auf der weite Gipfelwiese bequem und genieße die erste Mittagsrast.

Blau führt jenseits hinunter, an Denkmälern vorbei in die Stadt Asch. Wohnblockhäuser sind im oberen Stadtteil bis nah an die Kirche herangebaut, sodass hier etwas Wirkung verloren geht. Eine Treppe führt hinunter zur Hauptstraße, hier muss dann genau auf die Markierung geachtet werden. Der Marsch durch die Stadt ist alles andere als erholsam, lässt sich aber nicht vermeiden. Es ist halt eine größere tschechische Stadt mit wenig Flair.

 

Der originale Kammweg führte weiter links direkt nach Nassengrub, die heutigen blauen Markierungen leiten jedoch weiter rechts durch die Straßen. Muss man trotzdem erst einmal finden. An der großen Kirche in Nassengrub gegenüber einer Wiese ist man richtig.

Das hier stellenweise die Zeit stehen geblieben ist zeigt auch das Design der Verkehrsschilder...

Bald geht es wieder über Felder und in den Wald hinein, bis ein kleiner Abstecher nach links zur Quelle der Elster führt. Die Elster ist für das Vogtland landschaftsprägend: Die Talsperre Pöhl z.B. die die Elster staut, die bekannte Ziegelsteinbrücke und die hohen Flussfelsen der Vogtländischen Schweiz um Jocketa sind weitbekannt. Hier sind wir aber zunächst an der Quelle. Während im alten Führer noch von einer kahlen, aber neu bepflanzten Senke die Rede ist stehen heute hier hohe Bäume um den mächtigen Denkstein mit der kreisrunden Quelleinfassung darunter. Die Anlage wurde im  Jahre 1898 errichtet und reichlich hundert Jahre später saniert.

Zurück am Hauptweg führt gelb über die Grenze ans obere Ende von Bärendorf, während der originale Kammweg weiter links direkt durch den Ort führte. Über eine flache Wiese, an dessen Ende man schon die tolle Sicht des Kapellenberges erahnen kann, führt ein Asphaltsträßchen. Gut beschildert geht es noch ein Weilchen hinauf zum Kapellenberg mit dem Aussichtsturm (1,50€). Eine umfassende Rundum-Sicht bietet sich hier und der engagierte Turmwärter lässt es sich nicht nehmen, ob der vielen Besucher mit nach oben zu kommen um zu erklären, was wo zu sehen ist: Der Keilberg 85km entfernt, unter ihm der Turm des Pleßberges, den Kaiserwald, Franzensbad...

Zufrieden vom Tag geht es dann auf gelb nach Bad Brambach, dem bekannten Bade-Kurort mit der weltweit stärksten Radon-Quelle. Diese erste Etappe ist mit 30 Kilometern Länge genau richtig zum eingewöhnen.

Am nächsten Morgen dann die Überraschung am Frühstückstisch: Die beiden weiteren Gäste der Pension kommen aus dem Nachbardorf! Da hätten wir auch eine Fahrgemeinschaft bilden können!

Von Bad Brambach führt der Kammweg an der Kirche vorbei auf die Straße nach Rohrbach, unterwegs lohnt auf alle Fälle ein kurzer Abstecher zum Galgenberg rechts, ein aussichtsreicher Platz mit Pavillon und Sitzgelegenheit für die Rast. Am Ende von Rohrbach zeigt blau als Teil des "Vogtland-Panorama-Weges" auf einen Fahrweg nach links in den Wald hinein. An dessen Ende geht es aussichtreich an einer alten Schanzanlage vorbei in Richtung Landwüst.

Hier wartet ein jüngerer Mann auf das Eintreffen seiner Wandertruppe und nutzt die Gelegenheit mir das Panorama zu erklären. Jedenfalls wird deutlich dass der ganze gestrige Tag sich auf ein oder zwei Stunden hätte reduzieren lassen können, denn von Raun bis Bad Brambach sind es nur wenige Kilometer, mit der Runde um Asch und die Elsterquelle aber ein tagfüllendes Programm.

Und er weist hinauf auf einen weiteren Aussichtpavillon mit sehr eigenwilliger Gestaltung. Die Anwohner sagen dazu liebevoll nur "Ufo" oder "Zitronenpresse", erzählt er mir. Sind die Fenster oben geschlossen fungiert das ganze auch als wunderbare Vogel- und Fliegenfalle. Dann sollte man besser draußen rasten.

 

Rot führt jenseits an einem Heckenstreifen hinunter zu einer Waldecke, wo man auf einen guten Fahrweg trifft. Diesem folgt man bis zur Grenze, die auch als Langlaufstrecke ausgeschildert ist. Ab hier verlief der Kammweg genau von Grenzstein zu Grenzstein. Man muss auch einmal über eine Straße, dann geht es noch 2km durch den Wald, bevor der Weg an einer überfahrenen (!) Schranke nach links abbiegt. Jedoch geht es über diese Schranke hinweg. Der Weg ist recht verwahrlost, aber original bleibt eben original! Nach einem reichlichen Kilometer endet die Schlammschlacht an einem breiten Fahrweg, auf diesem jetzt nach links zum Hohen Stein.

 

Dieser felsige Aussichtspunkt ist etwas untypisch für den Kamm, sichtlich hatte hier der Vulkanismus seine Hände mit im Spiel. Die höchste Felsklippe ist durch eine Brücke und eine Leiter zugänglich gemacht.

Jenseits führt rot hinunter nach Osten, nach Kirchberg. Hier ist man bereits im Böhmischen und ab jetzt wird man immer wieder durch verschwundene Ortschaften wandern, In Kirchberg erinnert zum Beispiel eine neue Gedenktafel daran, dass hier einst 350 Einwohner lebten. Heute sind es keine 10 Häuser mehr, die noch um die Kirche herum stehen.

Der Kammweg zweigt nach dem Ortsende links von der Straße ab, ist aber anfangs durch abgedeckte Baumaterialien blockiert, oberhalb eines Tennisplatzes geht es bergan und es sind einige Weidezäune zu übersteigen. Zwischen losen Baumgruppen geht es auf einer Wiese weiter. Bei genauer Untersuchung entpuppen sich diese Baumgruppen als Reste abgerissener Gehöfte. Mauern, Ziegel und Bauschutt zeugen von regem Leben bis 1946.

Angesicht der nun folgenden Straßenkilometer entscheide ich mich, vom originalen Kammweg-Verlauf abzuweichen, einen längeren aber ungleich lohnenderen Umweg zu nehmen und auf rot zu bleiben. Nach kurzer Zeit auf der Straße führt links ein Fahrweg erst lange ab-, dann wieder ansteigend durch den Wald und später mitten auf einem Wiesenstück entlang. Für eine aussichtsreiche Rast bietet sich der Berg Na Novrch mit Jägerstand etwas abseits links oben an oder die weite begraste Kuppe des Sokol. Von letzterem lohnt es sich links des kleinen Seitentales abzusteigen, während rot rechts davon nach unten führt. Denn bald taucht nämlich Graslitz auf, die Sicht auf das Zentrum mit der Kirche wird immer besser. Nur leider drängen sich auch hier die Wohnblöcke bald in den Vordergrund. Die kurze Etappe von 26km erlaubt noch einen Stadtrundgang und so erfahre ich, dass in Graslitz einst Musikinstrumente von Weltruf hergestellt wurden.

Vom Zentrum führt gelb talwärts einen Hang ansteigend aus der Stadt hinaus und hinauf zu einigen felsigen Klippen, an einem Sendemast vorbei und dann das kleine Sträßchen nach dem ehemaligen Neudörfel. 400 Einwohner zählte das Dorf in den 30er Jahren, aber keines der Häuser existiert heute noch. Einzig vielleicht zwei Dutzend neuere Wochenendhäuser stehen mal hier mal da in Gruppen am Wegesrand.

Weiter geht es auf gelb bis zu einer Kreuzung und noch einen Kilometer geradeaus auf grün, bis links ein Abzweig zum Spitzberg führt. Hier steht ein Holzpavillon, auf dem ein anderer Rucksacktourist offenbar übernachtet hat. Eine Unterhaltung kommt leider nicht zustande, denn keiner versteht die Sprache des  anderen. So packt er seine Siebensachen zusammen und entschwindet. Erst später bemerke ich das Schild "Frisch gestrichen" am Eingang - hoffentlich hat sein Schlafsack keine bleibenden Schäden hinterlassen. Ein kurzes Frühstück bei schönem Talblick und weiter geht die Reise.

Die grüne Markierung führt weiter einsam auf Radwegen durch den Wald. Den genauen originalen Verlauf habe ich an dieser Stelle nicht erkennen können. Vielleicht habe ich ja auch den Abzweig verpasst, jedenfalls bleibe ich lange ohne Aussicht auf grün und stehe dann doch im Freien an der teilweise noch erhaltenen Ortschaft Frühbuß. Hier geht es jetzt links auf der nur selten befahrenen Straße zwischen den Wiesen entlang zu einem Bach und zu einer lange sichtbaren Häuserzeile. Diese verfolge ich aber nicht, sondern bleibe auf der Straße rechts leicht ansteigend. Der originale Weg muss wohl irgendwie links über die Wiesen die gleiche Richtung eingeschlagen haben.

Man ist jetzt in der ehemaligen Ortschaft Sauersack und wer genau hinschaut erkennt immer wieder Mauerreste links und rechts des Weges. Und auch beim Blick zurück kann man sich das Leben und die Besiedlung hier gut vorstellen.

Am Waldesrand angekommen rastet dort eine Gruppe Radfahrer. Es entspinnt sich ein Gespräch weil die Truppe mich für ortskundig hält - bin ich aber natürlich nicht. Jedenfalls schlage ich vor, meinen schweren Rucksack gegen eins ihrer Räder einzutauschen, aber keiner will mitmachen. Dann gesellen sich auch noch zwei Motorradfahrer hinzu, da ist der Deal mit den Fahrädern schnell vergessen!

Auf der Straße geht es jetzt durch den Wald, beidseitig sind immer wieder Hochmoore zu erkennen. Links im Wald lässt sich ein aufgelassenes Bergwerk mit riesigen betonierten Gebäudeteilen entdecken, leider fehlt mir heute für eine genauere Inspektion die Zeit. Was es also mit diesem Komplex auf sich hat müsste erst einmal recherchiert werden.

Wieder aus dem Wald heraus folgt man dem Schwarzwasserbächlein durch ein kleines Wiesental, dass sich bald weitet - das ehemalige Hirschenstand ist erreicht. Hier gibt es inzwischen wieder ein Rasthaus, gegenüber scheint sich eine Art Ranch mit hohen geschnitzten Holzskulpturen zu befinden. Weit verstreut müssen hier einst viele weitere Häuser gestanden haben, die um die 1000 Einwohnern ein Dach über den Kopf gaben.

Etwas talwärts ist eine Gedenkstätte für den Ort eingerichtet, hier muss wohl die Kirche gestanden haben. Hier treffe ich ein älteres Ehepaar, und ich erfahre, dass die Frau hier geboren wurde und seit der Wende jedes Jahr einmal hierher kommt. Auf meine Frage was sie dabei denkt an dem Ort hier zu stehen der so anders ist als früher meint sie, es wäre ihr also würde das Haus jeden Moment wieder aus dem Boden wachsen. Die Vertriebenen, die es nach Bayern verschlagen hatte, konnten auch schon eher hierher erzählt sie weiter. Alle Häuser standen noch, waren aber unbewohnt, ungepflegt und geplündert - es muss ein furchtbares Bild gewesen sein. Bis dann alles abgerissen wurde. Etwas nachdenklich verabschiede ich mich, sie wollen mich sogar ein Stück mit dem Auto mitnehmen, aber ich bleibe lieber auf dem Kammweg.

Noch weiter dem Bachlauf folgend führt ein asphaltierter Radweg links wieder auf die Kammhöhe zurück. Nach kurvigem Beginn geht es ein ganzes Stück geradeaus. An einer Unterstandshütte führte der Kammweg einst geradeaus durch den Wald, aber schon auf den ersten paar Meter ist der Weg versumpft und verwachsen. Daher entscheide ich mich dafür, auf dem Radweg zu bleiben, diesen gab es früher noch nicht und er folgt auch dem Gedanken einer Wasser- scheide viel besser, außerdem kann man hier zum ersten Male Höhenluft schnuppern. Denn biegt man an der nächsten Hütte links ab zum Zajeci vrch hat man zum ersten Male die 1000m-Höhenlinie. Außerdem gibt es hier sogar einen inoffiziellen Aussichtsturm in Form eines Jägerstandes.

Zurück auf dem Radweg ist es nicht mehr weit bis Platten, vom Waldrand bietet sich ein schöner Blick, auch auf den Plattenberg.

Die alte Bergstadt Platten mit dem großen Platz vor der stattlichen Kirche liegt auf einer ebenen Kammfläche und macht einen recht verschlafenen aber gemütlichen Eindruck. Der dahinter liegende Plattenberg mit Turm sollte unbedingt mit ins Programm aufgenommen werden, da er auch auf dem Kamm liegt, aber wer wie ich heute noch bis zum Pleßberg kommen will, braucht doch etwas Ausdauer.

Der originale Weg führte rechts auf der stark befahrenen Straße nach Abertham. Nach Durchquerung eines Waldes muss man dem Weg links folgen, sich dann -  inzwischen weglos - über die Wiesen zur hintersten Waldecke links durchschlagen und dann die roten Markierungen finden, die nach Abertham leiten. Das habe ich mir angetan, kann es aber nicht empfehlen. Lohnender und stressfreier für zukünftige Kammwanderer wird es sein, von Platten auf den Plattenberg zu steigen und dort der grünen Markierung bis Abertham zu folgen. Diese Strecke ist nur wenig länger.

Abertham war einst berühmt für seine Handschuhindustrie. 11000 Menschen sollen hier Lohn und Brot gefunden haben für den Exportschlager, der in alle Welt verschickt wurde. Entsprechend wohlhabend müssen manche Einwohner gewesen sein, man sieht es an den Verziehrungen mancher Häuser, an denen heute freilich arg der Zahn der Zeit nagt. Und selbst nach dem Kriege wurde die Handschuhfertigung aufrechterhalten, selbstverständlich zeitgemäß in einem verstaatlichten Kombinat. Erst 1998 wurde die Industrieproduktion eingestellt, lebt aber heute noch in kleinen Handwerksbetrieben weiter.

Am unteren Ende des Städtchens führt grün über eine Brücke und jenseits rechts auf den Pleßberg hinauf. Im letzten steilsten Teil des Anstieges wurde der Hang kürzlich komplett abgeholzt, damit sind alle Markierungen verschwunden. Man hat dafür aber einen immer grandioser werdenden Rückblick auf den bisherigen Tagesmarsch!

Oben lockt dann das Hotel Pleßberg/Plesivec mit dem Aussichtsturm. Die jungen Betreiber haben hier einiges auf die Beine gestellt: Einen Baum-Klettergarten mit einer Riesenschaukel (nicht jedermanns Sache), einen Sagenpfad mit Holzschnitzereien und auch das innere ist schön gemacht. Alte Fotografien, große Wandgemälde und eine hübsche Inneneinrichtung, und nirgends wird die deutsche Vergangenheit verleugnet. Selbst an der Außenseite des Berghotels steht "Plessberg" angeschrieben. Auch die Zimmer sind sehr schön, es sind halbe Ferienwohnungen. Zimmer Nr.1 (über dem "Plesivec"-Schild) hat sowohl Keilberg- als auch Egertalblick, Nr.4 ist um den Turm herum gebaut. Die Aussicht vom Turm ist selten schön, besonders Fichtel- und Keilberg in der Abendsonne und der Tiefblick ins Tal begeistern mich.

Nach den heutigen 36km die schönste Übernachtung der ganzen Reise und wenn auch die Preise für böhmische Verhältnisse etwas überdurchschnittlich sind trotzdem eine ganz klare Empfehlung!

Vom Pleßberg geht es durch den Kletterwald hinunter, bis zur Straße. Der originale Kammweg führte auf ihr rechts bis Gottesgab, heute kann man etwas angenehmer geradeaus gehen und dann auf rot um den Spitzberg herum. Zum Schluss geht es doch noch etwas auf der Straße mit Keilbergblick ansteigend ins Dorf hinein. Trotz Grenznähe macht es einen recht sympathischen Eindruck, von daher kann man hier ruhig eine Mittagsrast einlegen.

An der Kirche linkshaltend auf dem Radweg Nr. 2005 geht es dann hinauf zum Sattel mit ein paar Häusern zwischen Keilberg und Fichtelberg.

Auf deutscher Seite dann zeigen Hinweisschilder zum nahen Fichtelberg. Über eine Wiesenhang führt ein Pfad zur hohen Sachsenbaude, dann kann gewählt werden zwischen dem Anstieg über den Kleinen Fichtelberg und der "Wellenschaukel" weiter links.

Am Fichtelberg angekommen schweift das Auge weit, sofern nicht die vielen anderen Besucher im Wege stehen. Mit Ersteigung des Turmes kommen sogar noch einige Dutzend Höhenmeter dazu. Zum ersten Mal auf der Tour hat man hier das Gefühl, auf einem richtigen Kamm zu stehen, denn der Abbruch im Nordosten ist sehr deutlich zu sehen.

Eine Überraschung gibt es am Eingang zum Fichtelberghaus: hier ist das klassische blaue Kammwegzeichen vom Kammweg-Verein (www.erzgebirgs-kammweg.de) angebracht!

Zurück am Sattel schlägt man nun den Weg zum Keilberg ein. Auch hier lässt sich die Straße vermeiden, indem man am Ski-Areal Neklid rechts den Hang überquert und von dort der roten Markierung folgt, die zielstrebig auf den Keilberg führt. Dessen Gipfel ist ein Trauerspiel: Trifft man als erstes auf die recht schonungslos freigeschobene Skipiste wird man als nächstes dem riesigen Funkturm gewahr. Die Gipfelbaude ist einsturzgefährdet, weiträumig abgesperrt und überall bröckelt der Putz. Der Turm ist schief und dessen Geländer rostig. Schade. Ich erinnere mich, dass eine meiner ersten Autofahrten in den 90ern hierher führte, damals noch mit dem Trabbi. Man konnte noch auf den Turm hinauf und es gab mächtig Ärger mit dem Turmwart weil wir mangels Kronen 30 Pfennig in die Büchse geworfen hatten - hätten sie die mal zur Instandhaltung verwendet!

Rot führt steil den Skihang hinunter und unter einem Sessellift hindurch. Dieser hängt tief genug um auch vom Boden aufzusteigen, anstelle dieser Akrobatik sollte man allerdings lieber den Blick über Oberwiesental zum Fichtelberg geniessen.

Unten angekommen wären auch wieder einige Straßenkilometer Programm, statt dessen entscheide ich mich aber für ein weiteres kleines Abenteuer. Im Wald nach links abgebogen, erreicht man bald eine weite Wiese und am Sattel zwischen zwei Kuppen steht ein Kreuz. Ich gehe jedoch rechts hinunter ins Tal zu einigen Ruinen. Dies ist in aktuellen Karten als ehemalige Mühle eingetragen, jedoch handelt es sich scheinbar um die Reste des Ortsteiles Königsmühle. Anders als in anderen untergegangenen Dörfern stehen hier noch einige inzwischen dicht bewachsene hohe Mauern. An der anderen Bachseite geht es etwas weniger bequem wieder hinauf zur Straße.

Einige Straßenkilometer bleiben einem trotzdem nicht erspart. Man kann aber da, wo die rote Markierung hinzukommt, etwa 200m nach rechts gehen und dann links den Waldweg einschlagen, der parallel zur Straße läuft, später auch mit schöner Aussicht nach Norden!

Ganz vermeiden lässt sich die Straße aber nicht, ab Oberhals hat man aber eine beständig schöne Sicht nach Süden in den Eger-Graben hinunter und auf das Duppauer Gebirge gegenüber, sodass es trotzdem nicht langweilig wird. Schon bald wird man die Kirchturmspitze von Kupferberg sehen und den Kupferhübel links mit der Kapelle.

Nach 36km gibt es das wohlverdiente Pivo in einer Pension unweit der Kirche und der Abendspaziergang führt zu den Aussichtsfelsen Sfingy noch etwas südlicher.

Der nächste Tag ist nun leider etwas diesig und auch verregnet. Doch früh am Morgen ist die Sicht vom Kuperfübel trotzdem noch sehr schön. Der Kupferhübel unweit der Stadt wurde im Mittelalter von Bergleuten auf der Suche nach Wertvollem kreuz und quer durchpflügt. Ein Stollen, der Maria-Hilf-Stollen, ist auch für Besucher zugänglich gemacht. Den Schlüssel hat der Wirt der Pension wo ich genächtigt hatte, so steht es jedenfalls auf dem Schild, aber zurück gehe ich heute nicht mehr. Etwas abseits leiten Holzleitern in einem engen Schacht  in die Tiefe, leider durch ein Gitter verschlossen, daher wird nix aus der sicherlich spannenden Expedition.

Ein weiteres Schild informiert über einen Windrad-Park. Die Luftaufnahme des Geländes ist Gold wert, denn hier kann man den Weiterweg studieren.

Weglos auf der anderen Bergseite hinuntergehend und eine Bahnlinie überschreitend (Vorsicht, noch in Betrieb!) erreicht man bald die Straße genau am Standort des ehemaligen Dorfes Dörnsdorf. In der Wiesenaue ist jedoch nichts mehr zu finden außer einem Denkmal. Nicht mehr weit ist es von hier bis zur Preßnitz-Talsperre. Der Ort Preßnitz mit 5500 Einwohnern war nach dem Kriege genauso verlassen wie viele anderen Orte. In den 60er Jahren wurde hier eine Talsperre gebaut und der Bach angestaut. Die Reste des Dorfes liegen heute 20m in der Tiefe. Rechts um den See herum führt ein Radweg, bei nun einsetzendem Regen macht der allerdings keinen Spaß. Von den Wiesen rechts und dem nahen Hassberg weiter nördlich hätte man eine schöne Sicht auf die Gegend gehabt, beim dem Wetter allerdings spule ich einigermaßen lustlos die Kilometer herunter. Eine Unterbrechung gibt es nur am Anfang des Sees an einem zugewachsenen Kriegerdenkmal etwas abseits des Weges und an der gefassten Quelle Karslbrunn.

Weiter geht es geradeaus - jetzt blau markiert - bis nach einer ganzen Weile der Wald zurück tritt: Die Kriegswiese ist erreicht. Noch einmal geht es in den Wald hinein bis ein Waldweg nach Sebastiansberg führt. Durch den jungen und abgestorbenen Fichtenwald kommt man nach Unterquerung einer surrenden Stromleitung bald ins Dorf, eins leider ohne Flair.

Zum Auffüllen des Getränkevorrats lasse ich mich in eine der Fidschi-Buden voll mit Dingen die keiner braucht locken. Und trotz großem Rucksack und obwohl deutlich als Wanderer zu erkennen soll ich hier erst einen Kasten Bier, dann einen Gartenzwerg und zum Schluss ein Vogelhaus erstehen! Wir einigen uns auf "Kommen wieder - kaufen Vogelhaus" und mit einer Flasche Wasser verlasse ich den Laden wieder.

Am linken hinteren Ende des Dorfplatzes führt rot hinunter in ein Tal. Hier steht man plötzlich vor einer aufgelassenen Bahnlinie. Das erste Bauwerk sind zwei hohe Brückenpfeiler. 1948 wurde der Bahnbetrieb hier eingestellt, doch die Brücke hier stand bis in die 80er Jahre, dann wurde sie geprengt.

Der rote Weg vollführt jetzt einige Drehungen und Wendungen, später kommt man auch an zwei Teichen vorbei. Im Original gab es wohl eine direktere Verbindung durch den Wald. Kurz auf gelb nach links, dann wieder links auf den Radweg Nr. 3078. Dieser vollführt bald eine Linkskurve, hier geht es geradeaus nach Heinrichsdorf.

Da die hiesige Pension gerade Urlaub macht ist der Tag hier aber noch nicht zu Ende, vielmehr geht es zur Quartiersuche noch nach Rübenau ins Sächsische über die Grenze, womit sich die Strecke heute auf immerhin 39km summiert.

Der Gasthof in Rübenau ist zu meiner Überraschung in tschechischer Hand, der Wirt kommt aus Komotau und macht scheinbar alles alleine: Kochen, Kellern, Putzen... Auch der obligatorische Trainingsanzug fehlt nicht.

Am nächsten Morgen ist die finstre Bewölkung überraschend verschwunden und frohen Mutes geht es wieder hinaus. Freilich muss ich jetzt erst einmal zum Kammweg zurück über die Grenze. In Kalek führt der erste Weg hinter der Grenzbrücke grün den Natschung-Bach entlang, der zweite als Radweg links den Berg hinauf. Dort ist man richtig, lange geht es durch den Wald und an einem Teich vorbei und bald trifft man auf blau.

Nach zwei Stunden Wanderung folgt ein Schlag in die Magengrube: Ein Schild wähnt das heutige Tagesziel in 38km Entfernung!

Später am Waldrand kann man links über Feldwege zur Kirche von Kleinhan ansteigen. Diese außen rechts schmucklose, innen dafür um so reicher ausgestattete Kirche steht weithin sichtbar auf einer Kuppe und ich habe Glück, denn sie ist aufgeschlossen. Ein älterer Herr macht sich drinnen zu schaffen, er hatte am Vorabend wohl vergessen das Licht auszuschalten erfahre ich später. Er trifft noch letzte Vorbereitungen für den Sonntag, denn dann soll zum ersten Mal seit 1946 die Orgel wieder erklingen. Schade, das ist in drei Tagen, knapp verpasst. Er ist etwas in Eile und so ziehe auch ich weiter.

An der Straße links hinunter, später auf grün die Kurven abkürzend geht es in einen Grund hinunter und jenseits wieder hinauf, nach Katharinaberg.

Während der Kammweg jenseits des bebauten Hügels wieder links hinunter führte folge ich noch der Gasse hinauf und an der Kirche und einigen Häusern vorbei. Irgendwie fühle ich mich hier an ein Bergdorf auf Korsika erinnert, hier ist auch alles so eng, und die Dörfer ebenfalls immer oben auf Bergrücken errichtet..

Ganz oben steht ein Pensionsgelände mit einem Aussichtsturm. Der ist heute aber leider verschlossen, ein weitschweifender Blick aber auch ohne dessen Ersteigung möglich. Nach einem Industriebetrieb geht es links über Wiesen hinunter nach Deutsch Neudorf. 

Hier folgt man rot. Diese Markeierung ist etwas unglücklich, am besten im Dorf etwas bergauf gehen, dann links abbiegen, so auch der originale Kammweg. Rot führt die andere Straße entlang, dann geht es etwas planlos einige Baumreihen querend den Wiesenhang hinauf. Die rote Markierung ist gleichzeitig ein Naturlehrpfad und so gibt es immer wieder interessantes zum Erzgebirge zu erfahren.

Nach einer Weile im Wald geht es sehr angenehm über Wiesen und aufgestellte Sitzbänke laden immer wieder dazu ein, die Sicht auf Deutscheinsiedel zu genießen. In Mnisek ist man wieder in der Wirklichkeit angelangt: Händler buhlen um die Gunst der interessierten Gartenzwergkäufer. Währen der Kammweg rechts die Straße entlang führte sollte man lieber auf rot bleiben, noch vor der Tankstelle biegt man dazu rechts ab. 

Zurück an der Grenze verlässt man rot nach rechts und steht alsbald an der Straße zur Fleyh-Talsperre. Als ich noch 10m vor der Straße bin rauscht vor mir der völlig leere Linienbus vorbei, perfektes Timing! Und so muss man 1h bis zur Staumauer auf Asphalt entlang laufen, immer entlang am langen Wildzaun, aber auch immer mit Blick zum Wieselstein, dem höchsten Berg des Osterzgebirges und einen unbedingten Besuch wert. 

Jenseits der 50m hohen Staumauer geht es weitere 2km die Straße entlang, dann führt rot nach rechts. Man kommt zu einem Kreuz, das in Gedenken an das große Dorf Fleyh hier errichtet wurde. Dieses Dorf versank zum Großteil in den Fluten des Stausees. Hinter dem Kreuz liegen ein paar Mauer- und Fliesenstücke, vermutlich ein paar letzte Fundstücke. Leider wird nicht ganz klar ob das nicht doch eine wilde Müllablagerung ist, so ist das keine würdige Gedenkstätte. Weiter unten in Richtung See findet man noch zahlreiche Mauerreste, und auch die Grundmauern der ehemaligen Kirche wurden erhalten. Die Holzkirche wurde glücklicherweise im nicht weit entfernten Georgendorf wieder aufgebaut.

Ein kleiner Pfad führt weiter am Ufer entlang, nach einer Brücke wird der Weg immer deutlicher. Nach einer halben Stunde, an einem Kreuz auf einem Sandsteinsockel, ist man zurück auf rot.  Rechts geht es durchs ehemalige Willersdorf, später folgt man rot zweimal nach links. Man steigt wieder hinauf auf den Kamm, wo man links auf bequemem Weg an drei Windrädern vorbei nach Neustadt, wo ich auch gleich eine Pension finde.

Die letzten Kilometer sind heute freilich von allgemeiner Erschöpfung gekennzeichnet. Immerhin war das heute mit 43km die Königsetappe. Nach einer Dusche und dem ersten Pivo geht es mir aber wieder blendend.

Die Gaststube besteht nur aus einem Raum, welcher früher bestimmt einmal ein Wohnzimmer war. Hier haben drei Tische, der Tresen und sogar die Küche Platz, sehr heimelig! An der Wand hängen signierte Bilder der tschechischen Fußball-Nationalmannschaft und ich erfahre, dass am nächsten Tag ein Länderspiel gegen Spanien ansteht. (Wieder zu Hause musste ich im Internet lesen, dass es leider verloren ging...)

Am nächsten Tag mache ich mich erst einmal über das reichliche Frühstück her, nicht weniger als neun Tellerchen mit allerlei leckeren Sachen stehen auf dem Tisch. Draußen ist das lange angekündigte trübe Wetter angekommen, der Stürmer macht seinem Namen alle Ehre. Aber so weit ist die Reise auf dem Kammweg ja nicht mehr, es sind nur noch 11 Kilometer bis Zinnwald auf gutem Wege. Ein letzter Blick zurück vom Felsen Na Skale etwas abseits und an einer Infotafel mit schönem Fernblick auf Schneeberg und Lausche endet die großartige Tour!

Nun gilt es nur noch die Bahnstation in Altenberg zu erreichen. Dabei liegt der Kahleberg genau auf dem Wege und unterwegs dorthin gibt es noch eine kleine Überraschung! Denn ich treffe auf die Nachbarn drei Häuser weiter, die natürlich genauso überrascht sind, sich hier zu treffen wie ich! Die Welt ist eben klein. Ein gemeinsames Bier in der Kahleberg-Baude und es geht nun endgültig nach Hause.

Auf insgesamt 227 Kilometern habe ich in sieben Tagen das Vogtland und das gesamte Erzgebirge durchquert.

Es war eine herrliche Wanderung, auch gar nicht mal anstrengend, fernab jeglicher Hektik, mal eine Woche ohne Auto, ohne Computer!

 

Allen Nachahmern empfehle ich, für die Tour das Fahrrad mitzunehmen: Viele asphaltierte Radwege durch die Wälder und einige Straßen sind genau das richtige zum radeln, für den Wanderer jedoch weniger angenehm. Man hat auch viel mehr Zeit die Aussichten zu genießen, weil man die waldreichen "Leerlauf"-Kilometer schnell zurücklegen kann. Und der ein oder andere Abstecher auf nahe Gipfel ist auch möglich, auf den Wirbelstein z.B. oder auf den Hassberg bei Preßnitz.

 

Inzwischen ist diese Wegbeschreibung deutlich ausführlicher und mit noch mehr Fotos garniert in Buchform erschienen.

Der zweite Band, mit dem die Kammwanderung bis zur Schneekoppe im Riesengebirge fortgesetzt wird, erscheint im März 2017.

 

Link zu www.fernsichtverlag.de